Fragiles Wesen


Mein kleiner Sohn ist am Schlafen und ich scanne noch ein paar Negative ein, um diese zu digitalisieren. Eigentlich bin ich müde und wüsste, dass es gut wäre schlafen zu gehen. Doch dieses Mal siegt mein Drang, eine angefangene Aktivität bis zum Ende durchzuführen, bis ich von einem beunruhigenden Aufschrei meines Sohnes unterbrochen werde. Schnell springe ich ins Zimmer, wo er schläft. Er atmet schlecht, es klingt "rohrend". Ich versuche ihn zu beruhigen, nehme ihn in die Arme. In mir steigt eine Vorahnung auf, dass diese Nacht nicht wie andere sein wird...


Ich versuche mich zu sammeln und zu fokussieren. Die nicht eingescannten Negative sind vergessen, nur noch das Hier & Jetzt zählt. Was braucht mein Sohn? Meine Gedanken turnen wild durch meinen Kopf. Ausgerechnet heute bin ich alleine mit Yaron, denn mein Mann ist auf einer 3-tägigen Skitour unterwegs. Mein Sohn lässt mich keinen Schritt von seiner Seite weichen, sein Atem ist schwer und sobald er meine Unruhe spürt oder ihn sonst etwas aus der Ruhe bringt wird es schlimmer. Ich greife zum Telefon und rufe Medgate an. Ich versuche so ruhig, wie möglich zu bleiben und erkläre sachlich, was gerade abläuft. Nun warten wir beide auf den Rückruf, eine lange halbe Stunde vergeht. Tausend Fragen geistern in meinem Kopf umher, Angst um dieses wertvolle fragile Wesen, dass röchelnd & hustend in meinen Armen liegt.


Ruhe bewahren und an die frische Luft gehen, sind ersten Sofort-Massnahmen, dies erklärt mir die Ärztin am Telefon, sie hat den Verdacht, dass es Pseudo-Krupp ist. Ich gehe so ruhig wie möglich mit Yaron nach unten, ziehe ihn an und wir gehen nach draussen. Es ist mitten in der Nacht, der klare Himmel ist übersät mit unzähligen Sternen. Ich merke, während dem ich meinem Sohn, diese Schönheit zeige, wie ich selbst ruhig werde, auch er beginnt besser zu atmen und mein Kopf wird wieder klarer.


Kurz darauf atmet er wieder so gut, dass er einschlafen kann. Ich bin ruhig darüber, denn die Ärztin am Telefon hat mir erklärt, wann es ein Notfall ist und wann nicht. Auch ich finde den Schlaf, bis ich um halb 4 Uhr nachts, wieder von Yaron geweckt werde, der in Panik nach Luft schnappt, hustet & weint. Ich versuche ruhig nach unten zu gehen, wieder in die tiefe Nacht. Dieses Mal ist nebst den vielen Sternen auch der Mond zu sehen, den mein Kleiner über alles liebt. Seine Atmung wird jedoch leider nicht besser.


Intuitiv (geführt durch den Heiligen Geist) weiss ich, dass es nun an der Zeit ist alles zusammen zu packen und in den Notfall zu fahren. Mein Kleiner ist tapfer. Er bleibt unglaublich ruhig, obwohl er nicht gut atmen kann. Glücklicherweise schläft er auf der Fahrt ins Spital ein. Ich bin innerlich ruhig und doch auch angespannt, denn ich weiss, wenn er erwacht, wird er erneut erschrecken, da er immer noch nicht gut atmen kann. Beim Notfall angekommen geschieht, was ich geahnt habe. Er steigert sich in etwas hinein, hustet und japst. Ich bleibe so ruhig, wie möglich. Glücklicherweise sind wir die einzigen in der Notaufnahme und wir werden sofort weiter gewunken.


Als sich die Krankenschwestern um ihn kümmern kann ich innerlich langsam loslassen. Ich bin voll und ganz auf Yaron konzentriert. Ich versuche zu spüren, was er braucht. Zum Glück habe ich gelernt für meine Bedürfnisse einzustehen. Eine Decke für Yaron verlange ich, eine Erklärung, bevor sie ihm die Maske mit Adrenalin aufsetzen, Hilfe beim Windeln wechseln, usw. Yaron macht es unglaublich gut. Ich bin so stolz auf ihn. Als er wieder normal atmen kann dürfen wir uns in einem Zimmer auf einem Bett ausruhen. Sie werden uns noch vier Stunden zur Überwachung da behalten. Yaron schläft und ich habe Zeit das Geschehene zu verarbeiten.


Tränen fliessen und eine tiefe Dankbarkeit breitet sich in meinem Innern aus. Ich weiss, dass Gott mich durchgetragen und geführt hat. Mir kam in den Sinn, dass ich schon am Vorabend den Eindruck hatte die Wickeltasche zu packen, was ich normalerweise eigentlich nie im Voraus mache. Dies war für mich wie ein kleines Geschenk, als es darum ging fürs Spital zu packen. Ich war auch unglaublich dankbar für den wunderschönen Sternenhimmel und den Mond, der mein Herz in dieser herausfordernden Situation aufatmen liess. Ich war auch unglaublich dankbar für das Geschenk, dass ich im Hier & Jetzt diese Situation erleben durfte. Auch jetzt, als die Tränen fliessen, das Gefühl der Hilflosigkeit und Angst um Yaron wird durchlebt und ich kann das Erlebte loslassen.

Es ist alles gut, so wie es ist. Alles hat seine Zeit. Danke Vater, für dein bei und mit uns sein. Solche Erlebnisse stärken mein Vertrauen, dass alles schon da ist. Alles ist vorbereitet, wenn wir uns darauf einlassen, wenn wir loslassen, wenn wir vertrauen.


Ich wünsche mir für dich, dass auch du dieses Vertrauen erleben darfst. Dieses Ur- oder Gottvertrauen, dass alles gut wird, dass alles da ist, dass alles seine Zeit hat. Im Hier & Jetzt findet das Leben statt. Ich wünsche mir nicht nur in solchen Extremsituationen im Hier & Jetzt zu leben. Ich sehne mich danach, dass mein Alltag davon erzählt.

Wie erlebst du deinen Alltag? Kriegt das Hier & Jetzt Raum? Oder lebst du in der Vergangenheit oder Zukunft?